Die Konzepte der Personalentwicklung entsprechen nicht mehr den Erfordernissen der digitalen Welt. Das erkennen jetzt immer mehr Unternehmen.
Digital leadership, digital leader – seit zwei, drei Jahren geistern diese Begriffe durch die Managementdiskussion. Und immer mehr Seminare und Trainings zu diesem Thema werden angeboten; auch die Zahl der Bücher und Artikel steigt. Dass die beiden Begriffe auf eine so große Resonanz stoßen, liegt unter anderem daran, dass die Unternehmen zunehmend registrieren: Die fortschreitende Digitalisierung stellt nicht nur unsere Organisationsstrukturen in Frage und unsere bisherige Art, Probleme (und Herausforderungen) anzugehen und zu lösen. In der VUCA-Welt (Abkürzung der Worte Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity) von heute, um ein weiteres Modewort zu gebrauchen, werden auch unsere Personalentwicklungskonzepte obsolet. Zudem ist ein verändertes Führungsverständnis nötig.
Als Gründe, warum die tradierten Personalentwicklungskonzepte zunehmend auf dem Prüfstand stehen, werden oft genannt:
- Eine so langfristig orientierte Personalentwicklung (und -planung) wie in der Vergangenheit ist in der VUCA-Welt nicht mehr möglich, weil sich – aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung und rasanten Änderung der Kundenwünsche – neben den Strategien der Unternehmen, auch deren Art, Aufgaben anzugehen und zu lösen, immer rascher ändert. Deshalb wissen die Unternehmen heute noch nicht, welche Kompetenzen sie und somit ihre Mitarbeiter beispielsweise in drei, fünf oder gar zehn Jahren brauchen.
- Der Veränderungsbedarf und somit Lernbedarf ist in den Unternehmen heute oft so groß und dringlich, dass er zentral, also zum Beispiel von den Personalabteilungen, nicht mehr erfasst und in der erforderlichen kurzen Zeit mit zentral organisierten Maßnahmen der Personalentwicklung befriedigt werden kann.
- Der Qualifizierungsbedarf der Mitarbeiter ist in der digitalen Welt – unter anderem aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktion in den Unternehmen, ihrer beruflichen Biografie und den Herausforderungen, vor denen sie im Arbeitsalltag stehen – so verschieden, dass er mit zentral und top-down organisierten Entwicklungsmaßnahmen immer weniger befriedigt werden kann.
Digitale Personalentwicklung: Personalentwickler werden Dienstleister
Daraus zogen viele Unternehmen bereits folgende Schlüsse:
- Die Verantwortung für die Personalentwicklung muss sich stärker auf die operative Ebene (also Bereichs-, Abteilungs-, Teamebene) verlagern.
- Die Personalentwicklung muss sich stärker am individuellen Bedarf der Mitarbeiter und den Herausforderungen, vor denen sie aktuell bei ihrer Arbeit stehen, orientieren.
- Die Mitarbeiter müssen mehr Eigenverantwortung für ihre persönliche Weiterentwicklung und dafür, dass sie kurz-, mittel- und langfristig über die benötigte Kompetenz verfügen, zeigen (Stichwort: Employability). Und:
- Die Führungskräfte müssen ihre Mitarbeiter beim Entwickeln ihrer Kompetenz unterstützen und begleiten.
Dadurch verändert sich auch die Funktion der Personalentwicklungsabteilungen in den Unternehmen. In der Vergangenheit war eine ihrer Kernaufgaben, ausgehend von den strategischen Zielen des Unternehmens, den kurz-, mittel- und langfristigen Qualifikationsbedarf in der Organisation zu erfassen und über zentral geplante und gesteuerte Maßnahmen das Gap zwischen benötigter und vorhandener Qualifikation zu schließen. In der VUCA-Welt verschiebt sich ihre Funktion zunehmend in die Richtung, sozusagen ein Kompetenzentwicklungs-Dienstleister für die Führungskräfte und Mitarbeiter zu sein und diese bei der weitgehend selbstgeplanten und -gesteuerten Kompetenzentwicklung zu unterstützen. Außerdem ist und bleibt es ihre Aufgabe, bei der Kompetenzentwicklung in der Organisation für ein gewisses Alignment zu sorgen, damit kein Wildwuchs entsteht – also die Kompetenzentwicklung so weit zu koordinieren, dass zum Beispiel die Führungskräfte weitgehend dasselbe Führungsverständnis haben. Oder die Projektmanager und Mitarbeiter bei ihrer Arbeit, soweit nötig, dieselben Methoden und Tools verwenden, damit eine effektive Zusammenarbeit möglich ist.
Diese Dienstleister-Rolle zu akzeptieren, fällt mancher Personalentwicklungsabteilung, die sich in der Vergangenheit primär als strategischer Partner der Unternehmensleitung verstand, schwer – auch weil damit nach Auffassung vieler Personalentwickler ein Bedeutungsverlust einhergeht. Zudem bedeutet dieser Funktionswandel: Die Personalentwickler müssen sich stärker als früher auf die Shopfloor-Ebene begeben, also an den Ort des Geschehens, und sich mit den operativen Prozessen auf der Bereichs-, Abteilungs- und Teamebene befassen.
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