As­sess­ment Cen­ters: Show für Blen­der oder Prüf­stand für die Bes­ten?
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Bei Assessment Centers handelt es sich um eine etablierte Methode der Qualifikations- und Eignungsermittlung, der Potenzialbeurteilung und der Personalauswahl. Mit Hilfe von praxisnahen Problemlösungs- und Entscheidungsaufgaben werden Situationen simuliert, die von den Kandidaten verschiedene Fähigkeiten und Verhaltensweisen erfordern, z.B. analytisches Denken, Einsatzwille, Organisationsvermögen, Kooperations­bereitschaft, Kommunikationsstärke.

Gruppendiskussion und die Postkorbübung

Eine der zentralen Herausforderungen ist die Gruppendiskussion, bei der Bewerber schonungslos in einen direkten Vergleich treten. Hier zeigt sich vieles bezüglich Ausdrucksvermögen, Verhandlungsgeschick, Führungsübernahme, Argumentationsstärke und mehr. Wer gibt sich wie in einer Diskussion? Wer kann gut zuhören, wer gut moderieren? Einen unverzeihlichen Fehler kann derjenige Kandidat machen, der sich bereit erklärt, am Flipchart die Argumente aufzuschreiben, um sich auf diese Weise aus der Diskussion heraushalten zu können. Aber es kann dennoch jener sein, der bei fehlendem Schweinwerferlicht die besten Argumente und Beiträge liefern könnte…

Verschiedene Formen des Assessment Centers

Es gibt auch Einzelassessment (eher für Anwärter höherer Managementebenen) und Formen des Online-Assessments und das Instrument kann in sogenannten Inhouse-Assessment Centers auch bei der Mitarbeiterbeurteilung, Förderung von Nachwuchskräften oder generell in der Personalentwicklung, beispielsweise zur Potenzialanalyse, eingesetzt werden. Der Trend zu solchen, auch Potenzial-Assessments genannt, nimmt zu, um bei internen Stellenausschreibungen die Kompetenzen der Mitarbeiter gründlich und breit abgestützt zu überprüfen, richtig einzusetzen und sich nicht der Gefahr der Betriebsblindheit auszusetzen.

Die Pro-Argumente

Grundsätzlich verfolgt ein Assessment-Center zwei Ziele. Es soll einerseits dazu beitragen, Fach- und Führungspotenzial zu erkennen und zu analysieren und andererseits die Entwicklungsfähigkeit dieses Potenzials mit den geeigneten Förder- und Bildungsmassnahmen zu ermöglichen. Diese beiden gleichzeitig eruierbaren Ziele machen Assessment-Centers auch für die Personalentwicklung interessant. Ist ein Assessment Center gut konzipiert, kann es aufschlussreich sein und durchaus auch hohe Kosten rechtfertigen.

Praxisnahe und vielfältige Beurteilungsmöglichkeiten

Für Assessment Centers sprechen die authentische und praxisnahe Beurteilungsmöglichkeit, die Tests konkreter Verhaltens- und Kommunikationsweisen, die direkte Vergleichbarkeit mit anderen Teilnehmern, die individuellen und relevanten, auf die Stelle und Anforderungen bezogenen Aufgabenstellungen und Aufschluss über teilweise sehr relevante Sozialkompetenzen von Führungskräften wie Kommunikation, Belastbarkeit, Durchsetzungsvermögen, Wirkung der Persönlichkeit und natürlich die spezifischen Führungskompetenzen.

Relevante Kompetenzen

AC’s verraten oft auch, wie strukturiert die Arbeitsweise eines Kandidaten ist und wie systematisch und überlegt er an Aufgaben herangeht. Wie stark Bewerber in Diskussionen auf andere Teilnehmer Einfluss nehmen, ihre Standpunkte vertreten und durch Argumente zu überzeugen verstehen, ist ebenfalls oft aufschlussreich. Von grosser Bedeutung und zu selten im Mittelpunkt des Interesses ist die Leistungsmotivation eines Bewerbers – wie sehr engagiert er sich in den Aufgaben, wie sehr mag er andere mitreissen?

Breit abgestützte Urteile und Beobachtungen

Vorteilhaft ist auch, dass zahlreiche Kompetenzen sowohl im Fach-, wie auch im Sozialbereich in relativ kurzer Zeit unter recht realen Bedingungen getestet und beobachtet werden können. Bewerber bekommen heutzutage eher Aufgaben, die sich sehr stark an deren zukünftiger Funktion im Unternehmen orientieren. Die Beurteilung durch mehrere Personen wie Leiter Personalwesen, Mitglieder der Geschäftsleitung und allenfalls Psychologen gestatten zudem breit abgestützte und objektive Meinungen und Entscheidungen und Sympathien und Antipathien werden zurückgeschraubt.

Die Kontra-Argumente

Es gilt aber auch, die Methode des AC mit kritischen Vorbehalten zu sehen. Es besteht mitunter die Gefahr, tendenziell narzisstische Persönlichkeiten auszusuchen, Menschen mit hohem Selbstvertrauen, die andere für sich einnehmen, geschliffen formulieren können und eine hohe Risikobereitschaft haben, die weit über ihre eigenen Fähigkeiten und die ihrer Umgebung hinausreicht.

Ganzheitlichkeit der Werte

Gewisse Werte werden dabei zu wenig beachtet oder lassen sich gar nicht erkennen: Wofür steht jemand? Wie reagiert er in korrumpierenden Situationen? Wie steht es um seine Empathie? Wie steht es um sein Menschenbild in der Mitarbeiterführung, wenn es um Anerkennung und Förderung geht? Wer das Selbstmarketing beherrscht, kann oft übermässig überzeugen und gar blenden – was dann massiv über wahre Fach- und Sozialkompetenzen hinweg täuschen kann. Nur professionelle Beobachter können solche Kandidaten dann entlarven. Wesentliche Werte können verborgen bleiben und – im schlimmsten Fall – den fähigsten Kandidaten unerkannt lassen.

Belastbarkeit wird überbewertet

Der auf Kandidaten lastende Druck ist teilweise enorm, und Belastbarkeit ist zuweilen sicher wichtig, aber in den meisten Fällen bei weitem nicht die entscheidende Kompetenz. Die Übungen unterscheiden sich von der Realität in mehr Aspekten, als dies auf den ersten Blick scheinen mag: Erholungspausen, ständige Beobachtung, immenser Konkurrenzkampf, Erfolgsdruck, Laboratmosphäre und fehlende Entscheidungsmöglichkeiten mit Reflexionen und im Team.

Zahlreiche Manipulationsmöglichkeiten

Die vielen Vorbereitungskurse und –bücher ermöglichen zudem Vorbereitungen und das Aneignen von Kenntnissen, die dann AC’s verfälschen können, indem Kandidaten mehr eine eingeübte Rolle spielen, als ihr effektives Verhalten erkennen lassen. Dann gewinnt nicht der Fähigste den Wettbewerb, sondern derjenige, der sich am besten verstellen und die überzeugendste Show präsentieren kann.

Hohe Kosten und grosser Aufwand

Zudem sind Aufwand und Kosten von Assessment-Centers, je nach Dauer, Teilnehmer, Instrumenten und externer Beratung in der Regel ausserordentlich hoch. Die Kosten pro Teilnehmer können durchaus um die 2000 Franken bzw. 1500 Euro herum betragen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben zudem teilweise wenig überzeugende Resultate ergeben; so zeigte sich, dass sich lediglich 20% der relevanten und erfolgsentscheidenden Fähigkeiten erkennen und feststellen ließen.

 

Das Fazit 

Das Alltagsgeschäft und das sich Bewähren in der Praxis ist letztlich eben doch das beste Assessment-Center. Aber: Das Assessment Center kann ein sinnvolles Element bei der Mitarbeiterauswahl und –entwicklung darstellen. Entscheidend ist auch, wie professionell es eingesetzt wird, wie relevant es auf die Stellen- und Anforderungsrealität ausgerichtet ist, wie gut es in die anderen weiteren Auswahlinstrumente integriert und mitberücksichtigt wird und ob alle beteiligten Beobachter ihre Eindrücke relativieren können und sich der Verfälschungsgefahren bewusst sind.

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